Filesharing BGH: Urteil vom 15.11.2012 (Az.: I-ZR 74/12) – Eltern haften nicht für ihre Kinder – oder letztendlich doch? Eine erste Bewertung für die Praxis
Am 15.11.2012 hat der BGH zu der Frage Stellung genommen, ob Eltern für ihre minderjährigen Kinder haften, wenn diese illegal in Tauschbörsen Musik herunterladen und gleichzeitig anbieten.
Der BGH hat geurteilt, dass im Falle einer ausreichenden Belehrung der Kinder durch die Eltern eine Haftung der Eltern ausscheidet, soweit kein Anlass für die Eltern gegeben war, anzunehmen, dass die eigenen Kinder sich einer Tauschbörsensoftware bedienen. Der BGH hob damit die zu Lasten der Abgemahnten ergangenen Entscheidungen des Landgerichts Köln sowie des Oberlandesgericht Köln auf.
Das in den Medien viel beachtete Urteil ist sicherlich als wegweisend zu beurteilen und bestätigt die Tendenz der Gerichte die Haftung nicht über Gebühr zu strapazieren. So wurde auch durch uns in den letzten Jahren unter beispielhafter Berufung auf einen Beschluss des OLG Frankfurt aus dem Jahre 2007 (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2007, 11 W 58/07) immer wieder die Ansicht vertreten, dass eine anlasslose Haftung des Anschlussinhabers nicht akzeptabel ist und zu weit geht, da diese lebensfremd erscheint.
Doch was bedeutet diese Entscheidung für die Praxis und geht mit dieser Entscheidung einher, dass eine Haftung in „Eltern-Kind Fällen“ nunmehr kategorisch ausscheidet?
Die Antwort auf diese Frage lautet nach unserer ersten Einschätzung eindeutig: Nein!
Der Vorsitzende des zuständigen Senates wies nach unseren Erkenntnissen in der mündliche Verhandlung am 15.11.2012 darauf hin, dass die Musikindustrie in diesen Fällen keinesfalls rechtsschutzlos sei. Generell wäre nämlich daran zu denken, die Kinder selbst in Anspruch zu nehmen.
So sind Kinder nach § 828 I BGB ab 7 Jahren zumindest beschränkt deliktsfähig. Liegt daher bei einem Minderjährigen die sog. Einsichtsfähigkeit vor, kann ein Anspruch gegen den Jugendlichen auch direkt mit Erfolg durchgesetzt werden.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Vorgehensweise durch die Musikindustrie angestrebt wird, da dies sicherlich nicht als sonderlich beliebt beim Volk ankäme.
Man stelle sich nur die Schlagzeile vor:
„Plattenfirma XYZ verklagt 13 Jährigen auf 5000, 00 € Schadensersatz wegen illegalem Musiktausch!“
Doch was hätte eine solche Klage zur Konsequenz?
Letztendlich würden sodann in praktischer Sicht auch die Eltern zur Kasse gebeten. Denn es müsste bereits aus wirtschaftlichen Gründen berücksichtigt werden, dass durch die Zinsen bis zum ersten Verdienst des Jugendlichen die Forderung erheblich anwachsen würde. Ein sorgsames Elternpaar würde sicherlich sein Kind nicht mit einem solchen Schuldenberg in die Volljährigkeit schicken.
Wenngleich die Entscheidung selbstverständlich zu begrüßen ist und erheblich die Verteidigungsoptionen und Chancen verbessert, sollte nunmehr keinesfalls der Fehler gemacht werden, etwaige zukünftige Abmahnungen auf die leichte Schulter zu nehmen.
Es muss daher unbedingt weiter davon abgeraten werden, sich selber zum Sachverhalt einzulassen, da diesbezüglich erhebliche Fehler begangen werden können.
So haben wir heute, also einen Tag nach dem Urteil, viele Anrufe unserer Mandanten erhalten, die ungefähr folgende Aussage enthielten:
„Haben Sie von dem Urteil gestern gehört? Dann hat sich unsere Sache doch jetzt erledigt, richtig?“
Nein, wie oben aufgezeigt, ist es so einfach leider nicht.
Wir sind jedoch gespannt auf die ersten Antworten und Reaktionen der gegnerischen und einschlägigen Kanzleien und begrüßen das Urteil sehr.